von Courtland Gray, 51 (Foto*), der 1993 nach 27 Jahren Leichtatheltikabstinenz wieder mit dem Sprint begann und jetzt seine Entdeckungen und Erfahrungen denen mit auf den Weg geben möchte, die mit dem Masterssport anfangen möchten.
"Vor zwei Jahren war ich nur ein Gelegenheitsjogger und Freizeit-Tennisspieler. Aber ich habe gedacht, dass ich immer noch ein Sprinter bin. Meine Muskeln waren doch so zuverlässig , als ich in den 60er Jahren über die Hürden sprintete. Ich war sicher, dass sie sofort auf jedes Kommando meines Gehirns wieder genauso reagieren würden. Ich glaubte das, weil ich beim Basketball immer noch ganz zum Korb durchziehen konnte und auch beim Tennis jeden Ball noch erlief, mit dem mich meine tricksigen Gegner ausspielen wollten.
Naja, erfahrene Läufer warnten mich, es brauche viel Zeit, bevor jedes Körperteil so reagiere, wie ich das wolle. Aber ich ignorierte die meisten dieser Warnungen einfach. Das Ergebnis waren schmerzliche Lektionen. Die Schlussfolgerungen habe ich hier zusammengefasst - für die aktiven Athleten und alle, die gerade anfangen:
1. Erwarte nicht zu früh zu viel. Egal wie fit Du Dich fühlst durch Joggen, Tennis, Schwimmen, Basketball oder Radfahren - Laufen und vor allem Sprinten ist wirklich etwas völlig anderes. Ich wollte dies damals nicht wahr haben und lag damit völlig falsch.
2. Hör auf Deinen Körper. Dein Körper sagt Dir, bevor es ein wirkliches Problem gibt. Achte auf diese Signale und beachte sie. Sie sind nicht Deine Feinde, sondern Deine Freunde. Wenn Du beim Aufwärmen etwas Ungewöhnliches in Sehne oder Muskel spürst, hat dies einen ernsten Grund. Es ist dann meist viel besser, das Training umzustellen, vielleicht auch einen Spaziergang zu machen, anstatt "wie ein Mann" die Schmerzen zu ignorieren und durch die Schmerzen hindurch zu laufen. Denn: Ein Trainingstag macht Dich nicht fit, aber er kann reichen, damit du es nie oder erst viel später wirst.
3. Lass Dich nicht von Trainingspartnern herausfordern, die weiter oder jünger sind als Du. Wenn jemand dabei ist, der Dich ein bisschen nach vorn treibt und Deinen Ehrgeiz weckt, ist das gut. Aber zu viel kann sehr schmerzhaft sein. Du kannst Fortschritte nicht erzwingen und nicht mit Gewalt testen, ob Du Dich schon ganz leicht mit viel stärkeren Läufern messen kannst. Das klappt nämlich fast nie, aber anschließend hast Du mit Deinem gezerrten Muskel zwei, drei Wochen Zeit darüber nachzudenken. Wenn Du noch nicht sofortmit den grossen Cracks mithalten kannst, bedeutet das nicht, dass Du stehen oder sitzen bleiben musst. Lauf Dein eigenes Tempo. 4. Ein sorgfältiges Warm-up und ein gutes Streching sind besonders wichtig. Lass Dir Zeit dafür. Finde heraus, wie es für Dich am besten ist. Es gibt ausgezeichnete Anleitungsbücher dafür. Vor dem Lauf- und Sprinttraining musst du mehr Warm-up und Strechting machen als in fast jedem anderen Sport. Cool-down und Strechting nach dem Training sind genauso wichtig. Du wirst das positiven Ergebnis am nächsten Tag merken.
5. Nimm Dir Ruhezeiten und Ruhetage. Dieses bringt den Muskeln reichliche Regeneration für Muskeln, die in vielen Jahren eingerostet sind. Verwenden Sie die Ruhetage für Gymnastik, Fitnessstudio oder lockeres Joggen und Laufen.
6. Genieße die Sache. Sei nicht gleich im ersten Jahr verrrückt auf jeden Wettkampf, sonst sind Verletzungen und Enttäuschungen die Folge, die Dir lange die Sache vermiesen und Dir Fortschritte und Spaß an diesem wundervollen Sport nehmen können. Es gibt für Dich noch viele Gelegenheiten, sich im Wettkampf zu messen, aber Du solltest dafür erst wirklich in Form sein.
7. Eile mit Weile, wenn Du mit dem Sprinten anfängst. Es gibt wohl für den menschlichen Körper nichts anstrengenderes als Sprint. Dies gilt besonders für uns Masters. Du bist schnell, aber es dauert seine Zeit, wieder so schnell zu werden wie früher. Sorg erst einmal für eine wirklich gute Form, bevor Du auf Höchstgeschindigkeit beschleunigst. Steigere Dein Tempo erst 40 bis 50 Meter. Verzichte auf die ganz schnellen Antritte und überlange Sprints. Deine Leistungssteigerung ist eine Kombination verschiedener Punkte: Kontrolle gewinnen über Muskelstränge, Schaffen einer höheren Muskelflexibilität und Entwickeln von Kraft und Energie. Dies alles braucht einen Zeitraum von zwei oder drei Jahren. Ein engagierter Anfänger wird erst ein paar Jahre schneller werden, bevor er dem Alter Tribut zollen muss und die Leistungen langsam zurückgehen. Das bedeutet, dass ich nächstes Jahr langsamer werde, nachdem ich mich1994 und 1995 verbessert habe. Hoffentlich irre ich mich. (Update April 2000 durch den Autor: 1996 in meinem 4. Jahr habe ich mich trotz dieser Skepsis stark verbessert. Das lag aber vor allem an meinem stark erhöhten Trainingsumfang.)
8. Geh in einen Club oder schließ' Dich einer Trainingsgruppe an und informiere Dich in Laufzeitschriften. Damit hast Du Zugriff auf die Zeiten Deiner Konkurrenten, auf Resultate und allgemeine Informationen, die Dir im Sportleralltag nützlich sein werden.
Mein Weg zurück zum Sprint war erfolgreich. In meinem ersten Masters-Jahr 1993 konnte ich aber wegen der vielen Verletzungen nur ganze zwei 100m-Rennen absolvieren und keinen einzigen Hürdensprint. In meinem ersten Jahr wäre ich viel erfolgreicher gewesen , wenn ich auf die Ratschläge anderer gehört hätte.Ich weiß, dass mir damals, als ich anfing, alle diese Ratschläge gegeben wurden. Aber ich war mir sicher, daß sie höchstens für die Anderen waren, aber nicht wirklich für mich . Heute weiß ich: Gerade ich hätte mehr als jeder andere darauf hören sollen. Denn je wettkampforientierter und ehrgeiziger man ist, je mehr natürliche Anlagen man hat, um so mehr sollte man sich nach diesen Ratschlägen richten.
*Hinweis: Das Foto (by Ken Stone) zeigt Courtland Gray 1999 nach dem WM-Gewinn M 50/100m in Gateshead, England.
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